VERWALTUNGSRECHT
Stadt durfte wegen Corona nicht ganzen Gebäudekomplex absperren
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Stadt durfte wegen Corona nicht ganzen Gebäudekomplex absperren © Symbolgrafik:© Dan Race - stock.adobe.com
Göttingen (jur). Während der Coronapandemie durfte die Stadt Göttingen nicht gleich einen ganzen Gebäudekomplex mit mehreren Hundert Bewohnern absperren. Der damit verbundene Eingriff in die Freiheitsrechte war unverhältnismäßig und vom Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt, wie das Verwaltungsgericht Göttingen in einem am Freitag, 1. Dezember 2023, bekanntgegebenen Urteil vom Vortag entschied (Az.: 4 A 212/20). Das Gesetz setze darauf, dass eine Absonderungsverfügung freiwillig befolgt werde.
Die Stadt Göttingen hatte am 18. Juni 2020 verfügt, dass sich die Bewohner des Gebäudekomplexes bis zum 25. Juni 2020 „häuslich abzusondern“ hatten. Die Bewohner durften ihre Wohnungen nicht verlassen, Außenstehende den Gebäudekomplex nicht betreten. Um die Anordnung durchzusetzen, ließ die Stadt einen Bauzaun um den Gebäudekomplex aufbauen und diesen von Polizisten bewachen.
Hintergrund war eine Reihentestung der Bewohner am 15. und 16. Juni 2020. Dabei erwiesen sich von 668 getesteten Person mehr als 100 als „positiv“.
Die Kläger freilich waren bei dieser und auch bei einer nachfolgenden Reihentestung am 20. und 21. Juni 2020 negativ getestet worden. Mit ihrer Klage wollten sie gerichtlich feststellen lassen, dass die Absperrung und Polizeibewachung rechtswidrig waren.
Dem gab das Verwaltungsgericht Göttingen nun statt. Nicht schon die Absonderungsverfügung, wohl aber der von der Polizei gesicherte Bauzaun habe die Kläger „physisch daran gehindert, das Grundstück ihres Wohnkomplexes zu verlassen“.
Dies sei „durch das für Coronamaßnahmen einschlägige Infektionsschutzgesetz nicht gedeckt“, so die Göttinger Richter zur Begründung. Das Gesetz gehe vielmehr davon aus, dass eine Absonderungsverfügung freiwillig befolgt werde, weil die Betroffenen Einsicht in die Notwendigkeit einer solchen Maßnahme zeigten.
Handfestere Maßnahmen bei Verstößen sehe das Gesetz nur für Krankenhäuser oder andere „Einrichtungen“ vor. Eine solche „Einrichtung“ sei der hier abgesperrte Gebäudekomplex aber nicht.
„Überdies hätte diese freiheitsentziehende Maßnahme eines richterlichen Beschlusses bedurft, erklärte das Verwaltungsgericht abschließend. „Einen solchen hatte die Stadt nicht erwirkt.“
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock