FAMILIENRECHT
Rechtsanwalt-Tipp-Unterhaltsrecht: Unterhalt trotz neuer Partnerschaft / Beziehung des ehemaligen Ex-Partners ? (Unbilligkeit gem. § 1579 Nr. 2 GB)
Autor: Mathias Henke - Rechtsanwalt
Das OLG Karlsruhe hat in einem aktuellen Fall nochmals die Grundzüge klargestellt, ob und wann ein Unterhaltsanspruch wegen Unbilligkeit zu verneinen ist, wenn der ehemalige Ehepartner eine neue Beziehung bzw. eine neue Partnerschaft eingegangen ist (OLG Karlsruhe, Urteil vom 21.02.2011-2 UF 21/10).
Wenn Ehepaare sich trennen bzw. scheiden lassen, stellt sich in der Regel irgendwann die Frage, ob der Unterhaltsverpflichtete auch dann noch zur Zahlung von Unterhalt verpflichtet ist, wenn der unterhaltsberechtigte Partner eine neue Lebensbeziehung eingegangen ist.
I. Allgemeines: Unterhalt trotz neuer Partnerschaft des Unterhaltsfordernden
Seit der Gesetzesänderung 2008 ist die Aufnahme einer sogenannten verfestigten Lebensbeziehung als besonderer gesetzlicher Grund der Beendigung der Unterhaltsverpflichtung ausdrücklich in § 1579 Nr. 2 BGB erfasst. Tatsächlich erweist sich diese Fallgestaltung in der Praxis sogar als die häufigste, wenn es darum geht, Unterhaltszahlungen zu beenden.
Die Gretchenfrage war und ist daher, ab wann von einer solchen verfestigten Lebensbeziehung gesprochen werden kann:
1. Gemeinsamer Haushalt
Noch am einfachsten sind die Fallgestaltungen, bei denen der Ex-Partner oder Ex-Partnerin mit seinem oder seiner neuen Lebensgefährtin zusammengezogen sind und einen gemeinsamen Haushalt unterhalten, wobei es dabei irrelevant ist, ob sich der ehemalige Ehepartner von seinem neuen Lebensgefährten finanzieren lässt oder aber beide wie in einer Doppelverdienerehe gemeinschaftlich wirtschaften. Im Falle des gemeinsamen Haushaltes geht die Rechtsprechung in der Regel davon aus, dass eine verfestigte Liebesbeziehung gegeben ist.
Weitere besondere Kriterien, eine neue Lebensgemeinschaft von einer seitens des Unterhaltbeanspruchenden behaupteten etwaigen bloßen Wohngemeinschaft abzugrenzen, sind hierbei auch weitere persönliche und wirtschaftliche Verflechtungen wie etwa der Kauf einer gemeinsamen Immobilie oder aber die Geburt eines gemeinsamen Kindes.
Sobald demnach festgestellt werden kann, dass der potentielle Unterhaltsberechtigte in der neuen Partnerschaft wie in einer Ehe versorgt wird oder eben insgesamt eine verfestigte eheähnliche Partnerschaft vorliegt, ist die Verwirkung des Unterhaltes anzunehmen.
Ab welchem Zeitpunkt genau allerdings von einer Verfestigung gesprochen werden kann, wird von der Rechtsprechung nicht immer einheitlich beantwortet:
Auch beim Zusammenleben in einem gemeinsamen Haushalt neigt die Rechtsprechung hier dazu, dem neuen Paar eine gewisse "Testphase" einzuräumen: während viele Urteile in der Vergangenheit hier eine Phase von mindestens 2-3 Jahren ansetzten, sind in der jüngsten Vergangenheit unter dem Eindruck der Gesetzesreform 2008 durchaus auch Urteile ersichtlich, wo bereits bei relativ kurzfristigen Zusammenleben (1 Jahr) von einer verfestigten Beziehung ausgegangen wurde. (Andererseits sind auch schon höchstrichterliche Urteile gesprochen worden, in denen langjährige Partnerschaften festzustellen, diese aber von ständigen zwischenzeitlichen Trennungen und Zerwürfnissen geprägt waren, sodass die Richter selbst bei dreijährigem Bestand des Zusammenlebens noch von keiner Verfestigung ausgingen; zu einem wiederum extrem anders gelagerten Fall siehe unten).
2. Kein gemeinsamer Haushalt
Einig ist sich die Rechtsprechung lediglich dahingehend, dass zur Annahme einer verfestigten Lebensbeziehung nicht zwingend das gemeinsame Zusammenleben erforderlich ist. Nach ganz allgemeiner Meinung kann eine verfestigte Lebensbeziehung auch dann angenommen werden, wenn die neuen Partner quasi künstlich lediglich das Zusammenziehen vermeiden, davon abgesehen aber eine Verfestigung im gesetzlichen Sinne aus anderen Kriterien gefolgert werden kann. Insbesondere sind hier eben persönliche und wirtschaftliche Verflechtungen zu nennen, wie die Geburt eines Kindes oder aber die Schaffung gemeinsamer wirtschaftlicher Werte wie gemeinsames Auto, gemeinsame Immobilie oder gemeinsame Vermögensanlagen.
II. So auch der aktuelle Fall:
Das OLG Karlsruhe hatte den Fall zu entscheiden, bei dem eine geschiedene Ehefrau ihren Ex-Mann auf Unterhalt verklagte, sie selbst aber bereits mehrere Jahre einen neuen Lebensgefährten, mit diesem aber keinen gemeinsamen Hausstand gegründet hatte:
Beide waren rund 2 Jahre lang als Paar nach außen hin aufgetreten und hatten regelmäßig wechselseitig bei dem jeweils anderen übernachtet, sonst aber ihre Wohnungen beibehalten. Noch während des gerichtlichen Unterhaltsverfahrens hatten sie dieses Verhalten eingestellt, die geschiedene Ehefrau hatte aber dann noch bei ihrem neuen Lebensgefährten regelmäßig übernachtet, weil sie in dem Ort eine Arbeitsstelle gefunden hatte, wo der neue Partner wohnte. Ab diesem Zeitpunkt war das Paar auch nach außen hin nicht mehr als solches aufgetreten, hatte keinerlei Familienfeier mehr besucht und auch -so behaupteten beide jedenfalls- keine gemeinsamen Feierlichkeiten (Geburtstagsfeier, Silvester et cetera) miteinander zugebracht.
Der verklagte Ex-Ehemann wandte gegen die Klage ein, das Verhalten seiner Ex-Frau sei lediglich dem Unterhaltprozeß geschuldet, im übrigen reiche es aus, dass das Paar schließlich bereits knapp 2 Jahre als eheähnliches Paar nach außen hin aufgetreten sei.
III. Die Entscheidung des Gerichts: Bei mangelndem gemeinsamen Hausstand ca. 5 Jahre gemeinsames Auftreten in der Öffentlichkeit als Paar erforderlich
Das Gericht wies diese Bedenken zurück, gab der Klage statt und verurteilte den Ex-Mann zur Unterhaltszahlung. Zur Begründung führte das Gericht hinsichtlich der Frage der Verfestigung der Lebensbeziehung der Klägerin folgendes aus:
Bei Beziehungen, die nicht überwiegend durch ein gemeinsames Zusammenwohnen oder durch sonstiges gemeinsames Wirtschaften geprägt sind, könne von einer Verfestigung im gesetzlichen Sinne erst dann gesprochen werden, wenn das Paar etwa 5 Jahre lang nach außen hin in der Öffentlichkeit als Paar erkennbar aufgetreten ist, d.h. bsp. insbesondere gemeinsame Freizeitaktivitäten, gemeinsame Urlaube und gemeinsame Familienfeste wahrgenommen bzw. an diesen teilgenommen habe.
Da der verklagte Ex-Ehemann über einen Zeitraum von 2 Jahren hinaus keine ausreichende Nachweise und Beweise hierfür erbringen könne, sei von einer Verfestigung im vorliegenden Fall daher nicht auszugehen.
IV. Fazit
Das Urteil, welches die Rechtsprechung des OLG Karlsruhe zu dieser Rechtsfrage im übrigen nahtlos fortsetzt, zeigt im wesentlichen klarstellend zweierlei:
1. Wenn der oder die Ex-Partner/in mit dem neuen Lebensgefährten nicht zusammenzieht, bedarf es entweder des Nachweises erheblicher weiterer persönlicher und wirtschaftlicher Verflechtungen (Geburt eines Kindes, Kauf gemeinsamer Güter) oder aber zumindest den Nachweis, dass das neue Paar nach außen hin als solches in der Öffentlichkeit erkennbar aufgetreten ist, wobei für diesen letzteren Fall ein erheblicher Zeitraum (5 Jahre) gegeben sein muss.
2. Der verklagte Unterhaltspflichtige trägt die volle Beweislast für den Umstand einer Verfestigung der Lebensbeziehung im gesetzlichen Sinne. Gelingt ihm der Nachweis nicht, bestätigt die Unterhaltspflicht fort.
V. Bewertung
Derlei Urteile mögen für den Unterhaltspflichtigen misslich sein, insbesondere dann, wenn er persönlich von der Verfestigung der neuen Liebesbeziehung überzeugt ist. Die Gerichte können allerdings schwerlich anders urteilen: wenn gewichtige objektive Kriterien -wie etwa der gemeinsame Hausstand- fehlen, muss halt auf mehr oder weniger „weiche Fakten" zurückgegriffen werden wie eben dem Auftreten des neuen Paares in der Öffentlichkeit, anderweitige Feststellungskriterien stehen dann einfach nicht zur Verfügung. Da gerade bei der Bewertung solcher Fakten im Hinblick auf die geforderte Dauerhaftigkeit und Festigkeit der Neubeziehung Fehlschlüsse und Unwägbarkeiten geradezu wahrscheinlich sind und auf der Hand liegen, muss hier ein deutlich längerer Zeitraum gefordert werden, als in anderen Fallgestaltungen.
Dass es bei Anwendung der Grundsätze der höchstrichterlichen Rechtsprechung aber auch ganz anders enden kann, zeigt ein jüngeres Urteil des OLG Saarbrücken (9 WF 19/09):
Hier hatte sich ein Ehepaar lediglich getrennt (!) und war noch nicht geschieden, als die Ehefrau mit ihrem neuen Partner ein Haus kaufte, von dem sie eine Etage bewohnte, der neue Ehepartner die andere. Die Richter nahmen die Verwirkung des Unterhaltsanspruchs wegen Verfestigung der neuen Liebesbeziehung an: der gemeinsame Ankauf der Immobilie und das gemeinsame Bewohnen des Hauses sei eine derartige starke Verflechtung, dass auch ohne Ansetzung irgendeines Zeitmomentes die sofortige Verwirkung und Beendigung der Unterhaltsverpflichtung angenommen werden könne. Dieser Grundsatz gelte nicht nur für den Fall des nachehelichen Unterhaltes, sondern auch schon bei dem Trennungsunterhalt.
VI. Zusammenfassung
Die Unterschiedlichkeit der Fälle und der Urteile zeigt, dass jedwede schematische Betrachtungsweise unterlassen werden sollte: entscheidend ist alleinig der Begriff der Verfestigung, diese muss Anhand von objektiven Kriterien festgestellt und vom Unterhaltsverpflichteten notfalls bewiesen werden. Je gewichtiger die objektiven tatsächlichen Umstände des Zusammenlebens sind, desto zeitlich eher kann man von einer Verfestigung reden. Lässt sich die Verfestigung der neuen Lebensbeziehung aber nur anhand von weichen Fakten darstellen, ist ein ganz erheblicher Zeitraum erforderlich, bis man von einer Verfestigung ausgehen kann: die vom OLG Karlsruhe im bezeichneten Urteil genannten 5 Jahre mögen diesbezüglich als ungefähre Richtschnur dienen.
Rechtsanwalt Mathias Henke - Dortmund