FAMILIENRECHT
Rechtliche Vaterschaft ist abhängig von der Bindung zum Kind
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Karlsruhe (jur). Hat ein Kind eine gute soziale Bindung zu seinem rechtlichen Vater, kann der leibliche Vater die rechtliche Vaterschaft nicht erfolgreich anfechten. Die Anfechtung ist dann „stets unbegründet“, wie der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Donnerstag, 4. Januar 2018, veröffentlichten Beschluss entschied (Az.: XII ZB 389/16). Das gilt danach auch, wenn der leibliche Vater ebenfalls eine enge Beziehung zu dem Kind hat.
Hintergrund des Streits sind die wechselnden Beziehungen einer Frau zu zwei Männern. Vom ersten Mann bekam sie zwei 2007 und 2011 geborene Söhne. Der Vater hatte nie mit der Mutter und den Kindern zusammengewohnt, hatte diese aber nahezu täglich besucht. Das Paar trennte sich, als die Frau eine Beziehung zu dem anderen Mann aufnahm. Nach gut einem Jahr trennte sie sich aber auch von ihm.
Sozial-familiäre Beziehung zu den Kindern
Im Januar 2013 bekam die Frau eine Tochter. Der erste Mann erkannte die Vaterschaft an und kümmerte sich ein Jahr lang um alle drei Kinder. Anfang 2014 nahm die Frau allerdings die Beziehung zu dem zweiten Mann wieder auf. Dieser hielt sich nun regelmäßig in ihrer Wohnung auf und kümmerte sich ebenfalls um alle drei Kinder. Der erste Mann hat seitdem ein Umgangsrecht mit allen drei Kindern an jedem zweiten Wochenende. Von dem zweiten Mann trennte sich die Mutter noch mehrfach, kam aber jeweils wieder mit ihm zusammen. Seit Oktober 2016 sind sie verheiratet.
Bereits 2014 hatte der zweite Mann die Vaterschaft des ersten für die Tochter angefochten. Ein DNA-Test ergab, dass er der biologische Vater ist. Mit seinem Antrag wollte er nun auch die rechtliche Vaterschaft erlangen.
Nach einer Niederlage vor dem Amtsgericht Iserlohn gab ihm das Oberlandesgericht (OLG) Hamm noch recht. Die unbestrittene soziale Beziehung des ersten Mannes stehe hier einer Aberkennung der rechtlichen Vaterschaft nicht entgegen, weil auch der zweite Mann eine sozial-familiäre Beziehung zu seiner Tochter habe und deren leiblicher Vater sei.
BGH hob Entscheidung auf
Der BGH hob diese Entscheidung nun jedoch auf und wies den Antrag ab. Laut Gesetz setze die Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater voraus, „dass zwischen dem Kind und seinem rechtlichen Vater keine sozial-familiäre Beziehung besteht“.
Maßgeblich sei hierfür der Zeitpunkt der Entscheidung der letzten Tatsacheninstanz, hier des OLG Hamm. Allein eine frühere Übernahme väterlicher Verantwortung genüge daher nicht. Hier sei aber eine andauernde sozial-familiäre Beziehung des ersten Mannes zu dem Mädchen unbestritten.
Dass der erste Mann als rechtlicher Vater mit Mutter und Tochter nicht in einem Haushalt lebt, spiele keine Rolle, betonte der BGH. „Ein längeres Zusammenleben mit dem Kind ist zwar ein Indiz, nicht aber eine notwendige Voraussetzung für das Bestehen einer sozial-familiären Beziehung.“ Ebenso sei es für die rechtliche Vaterschaft nicht Voraussetzung, dass eine Beziehung zur Mutter besteht.
Vorrang vor der leiblichen Vaterschaft
Die einschränkende Auslegung des OLG Hamm, wonach der leibliche Vater die rechtliche Vaterschaft trotz einer Bindung zwischen rechtlichem Vater und Kind anfechten kann, wenn er selbst ebenfalls eine Bindung zu dem Kind hat, lehnte der BGH ab. Dies finde im Gesetz „keine Grundlage“.
Mit seiner neuen Leitsatzentscheidung vom 15. November 2017 führte der BGH seine Rechtsprechung fort, wonach sozial-familiäre Bindungen eines Kindes Vorrang vor der leiblichen Vaterschaft haben (Beschluss vom 18. Oktober 2017, Az.: XII ZB 525/16; JurAgentur-Meldung vom 16. November 2017).
Dabei betont der BGH erneut, dass auch das Bundesverfassungsgericht die Möglichkeit einer Anfechtung der rechtlichen Vaterschaft durch den leiblichen Vater nur für Fälle verlangt habe, in denen familiäre Beziehungen zwischen dem Kind uns seinen rechtlichen Eltern nicht entgegenstehen (Beschluss des Bundesverfassungsgerichts vom 9. April 2003, Az.: 1 BvR 1493/96). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) in Straßburg habe die entsprechende deutsche Regelung gebilligt (Urteil und JurAgentur-Meldung vom 22. März 2012, Az.: 45071/09 und 23338/09; ähnlich zu Ungarn: Urteil und JurAgentur-Meldung vom 12. Februar 2013, Az.: 48494/06).
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