BEAMTENRECHT
Kein Raum für „Äußerungen mit einer sexuellen Konnotation“
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Urteil gegen Beamten wegen sexueller Äußerungen © Photoboy - stock.adobe.com
Leipzig (jur). Für „Äußerungen mit einer sexuellen Konnotation“ ist im Dienst eines Beamten „generell kein Raum“. Das hat das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig in einem am Mittwoch, 22. März 2023, veröffentlichten Leitsatzurteil betont (Az.: 2 A 17.21). Es beschloss damit die Herabstufung eines Beamten um eine Stufe vom Regierungsdirektor zum Rang eines Oberregierungsrates.
Im konkreten Fall geht es um einen früheren Sachgebietsleiter und späteren Referatsleiter einer Bundesbehörde. 2019 wandten sich zwei Mitarbeiterinnen an die Gleichstellungsbeauftragte der Behörde und warfen dem Mann „beanstandungswürdige Äußerungen“ vor. Eine der Frauen hatte über fast vier Jahre Zitate auf einer Liste gesammelt.
Der Präsident der Behörde leitete daraufhin ein Disziplinarverfahren ein und erhob schließlich eine Disziplinarklage. Darin wirft die Behördenleitung dem Mann „77 Äußerungen mit teils antisemitischen, diskriminierenden, sexistischen, frauenfeindlichen und beleidigenden Inhalten“ vor.
Das in erster und letzter Instanz für den Streit zuständige Bundesverwaltungsgericht vernahm mehrere Zeuginnen und Zeugen und hielt jedenfalls 27 Äußerungen für erwiesen. Teils sind dies derbe Beleidigungen wie „Scheißen-drecks-Arschloch“, oft aber auch Äußerungen mit sexuellem Bezug: „Die muss jetzt erst mal zu Media Markt fahren und sich eine Packung neue Batterien für ihren Vibrator kaufen.“ Auch über die angeblich kleinen Gehirne von Müttern ließ er sich aus oder verband sexuelle Anspielungen mit Rassismus: „Ich unterschreibe Ihnen jetzt besser mal die Besucheranmeldung für den Schwarzen; nicht dass man denkt, dass Sie den hier für ein Schäferstündchen mit sich eingeladen haben.“
Bei der Bewertung der Zeugenaussagen hielt es das Bundesverwaltungsgericht für glaubwürdig und nachvollziehbar, dass die Frauen sich erst nach langer Zeit und nach einem Anstoß von außen an die Gleichstellungsbeauftragte gewandt hatten. Als Zeugen vernommene männliche Kollegen seien beschämt gewesen, dass sie nicht eingeschritten waren, obwohl sie bemerkt hatten, dass eine der Frauen stark gelitten habe.
In einem ihrer Leitsätze stellten die Leipziger Richter klar, dass in solchen Verfahren auch schriftliche Zeugenaussagen verwertet werden können, sofern an der Glaubwürdigkeit der Person insgesamt keine Zweifel bestehen.
In seinem zweiten Leitsatz betonte das Bundesverwaltungsgericht, „dass sich Beamte anderen Beschäftigten gegenüber korrekt und kollegial verhalten und den Betriebsfrieden wahren müssen. Äußerungen mit einer sexuellen Konnotation haben Beamte im Dienst und im Dienstgebäude zu unterlassen.“
In dem Streit hatte teils auch die Dienststelle den Mann entlastet. Den Hinweis auf durchweg herausragende Bewertungen im Bereich „Soziale Kompetenz und Führung“ begegnete das Bundesverwaltungsgericht jedoch nüchtern, jedenfalls von 2014 bis 2018 seien dies wohl „Fehleinschätzungen“ gewesen. Dass überwiegend männliche Beschäftigte ein positives Bild ihres Vorgesetzten gezeichnet hätten, ändere nichts an seiner Führungsverantwortung für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, betonten die Leipziger Richter in ihrem jetzt schriftlich veröffentlichten Urteil vom 29. September 2022.
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Autor: Rechtsanwalt Sebastian Einbock