VERKEHRSRECHT
Geldbuße bei verschneiten Verkehrsschildern, insbesondere bei Geschwindigkeitsübertretungen: Verkehrszeichen müssen sichtbar sein.
Autor: Mathias Henke - Rechtsanwalt
Das Problem: Verschneite Verkehrsschilder
In winterlichen Tagen mit starkem Schneefall kommt es immer wieder vor, dass Verkehrsschilder, insbesondere Tempo-Schilder zur Regulierung der Höchstgeschwindigkeit, verschneit und daher nicht zu sehen sind. Wenn dann „geblitzt" wird, sei es durch mobile Radargeräte oder mittels sogenannter Starenkästen, stellt sich bei Erlass eines Bußgeldbescheides die Frage, ob die Regelung der Höchstgeschwindigkeit für den Verkehrsteilnehmer überhaupt erkennbar war. Das OLG Hamm - AZ.: III-3 RBs 336/09 - hat hierzu einen vergleichbaren aktuellen Fall entschieden und dabei die Grundzüge der Haftung nochmals erläutert:
Allgemeine Rechtslage: Verkehrsschilder müssen erkennbar und sichtbar sein
Verkehrszeichen sind rechtlich betrachtet sogenannte Verwaltungsakte in Form von sogenannten Allgemeinverfügungen und müssen zur Entfaltung ihrer Rechtswirkung dem Verkehrsteilnehmer zugänglich, d.h. sichtbar sein. Hierbei reicht es aus, wenn sie so angebracht sind, dass ein ordnungsgemäß-aufmerksamer durchschnittlicher Verkehrsteilnehmer sie ohne weiteres erkennen kann. Unter dieser Voraussetzung äußern sie Rechtswirkung dann unabhängig davon, ob der konkrete Verkehrsteilnehmer oder Fahrer das Verkehrszeichen tatsächlich wahrnimmt oder nicht.
Werden nun Verkehrsregelungen aufgrund von äußeren Einflüssen so unkenntlich, dass die Erkennbarkeit nicht mehr gegeben ist, so verlieren sie ihre rechtliche Wirksamkeit. Allerdings wird vom Fahrer und anderen Verkehrsteilnehmer erwartet, dass er auch alle weiteren Begleitumstände, wie beispielsweise sich davor befindliche gleichlautende Schilder, beachtet; bei Ersichtlichkeit der Schilderform (bsp. dreieckiges Vorfahrt-Beachten-Schild) kann desweiteren der Rückschluss auf den naheliegenden Inhalt vermutet werden, auch bei nachgewiesener Ortskundigkeit des Verkehrsteilnehmers (bsp. Schild in der Straße, in welcher der Fahrer wohnt) kann ebenfalls die Kenntnis vermutet werden.
Der konkrete Fall:
Im aktuellen Fall vor dem OLG Hamm hatte nun ein Taxi-Fahrer innerorts ein Tempo-30-Schild übersehen, was nachweislich völlig von Baumbewuchs zugewuchert war; er wurde bei einer Geschwindigkeit von 73 Km/h geblitzt. Die Verkehrsbehörde hatte gegen ihn daraufhin wegen Überschreitung der Geschwindigkeit um 43 km/h einen Bußgeldbescheid von 200,00 € verhängt. Nach Einspruch hiergegen hatte das Amtsgericht die Auffassung der Verkehrsbehörde noch bestätigt und den Bußgeldbescheid nebst Geldbuße bestätigt.
Die Entscheidung des OLG Hamm
Die Richter beim OLG Hamm sahen dies aber auf Grundlage des geltenden Rechts anders: Verkehrszeichen müssen immer so angebracht sein, dass ein Verkehrsteilnehmer ihre Anordnung ohne weitere Überlegungen eindeutig erfassen kann. Ist ein Schild aber nicht erkennbar, entfalte es auch keine Rechtswirkung. Da der Taxifahrer zudem nicht ortskundig war, gebe es auch keinen weiteren Anknüpfungspunkt für ein vorwerfbares Verhalten. Aber: Innerorts gelte selbstverständlich die allgemeine Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h, sodass der Taxifahrer in jedem Fall - allerdings eben nur 23 km/h - zu schnell gefahren sei. Der Bußgeldbescheid wurde daher - aber eben entsprechend stark reduziert -aufrechterhalten.
Fazit:
Die Rechtslage bei nicht sichtbaren Verkehrsschildern ist eigentlich relativ klar. Gleichwohl ist man insbesondere bei Amtsgerichten vor Überraschungen nicht immer gefeit, wie der Ausgangsfall zeigt. In derartigen Fällen sollte sodenn immer überlegt werden, ob angesichts der Höhe des Bußgeldbescheides ein Einspruch und ein nachfolgendes Gerichtsverfahren erstrebt werden soll, insbesondere ohne Rechtschutzversicherung. In jedem Fall aber sollte darauf geachtet werden, dass unverzüglich Beweissicherung betrieben wird, bsp. durch Überprüfung der Örtlichkeit und gegebenenfalls Photografie des dann doch hierbei gefundenen Schildes, andernfalls der spätere Nachweis der Unkenntlichkeit des Schildes etwaig unmöglich wird.
RA Mathias Henke - Dortmund-